Durch den Kohleausstieg sind neue Quellen für die Fernwärme gefragtUmfrage der DUH belegt: Steinkohlekraftwerke rüsten überwiegend auf Erdgas statt auf erneuerbare Energien um – ausgekoppelte Fernwärme bleibt fossilErneuerbare Wärme ist ökonomisch und rechtlich gegenüber fossiler Wärme benachteiligt Deutsche Umwelthilfe fordert, den Anteil klimafreundlicher Wärme deutlich zu erhöhen und veröffentlicht sieben konkrete Maßnahmen
Berlin, 11.2.2021: Die Deutsche Umwelthilfe
(DUH) fordert Bund, Länder und Kommunen auf, den Kohleausstieg zu nutzen, um
klimafreundlicher Fernwärme den Weg zu ebnen. Dafür hat die Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation sieben konkrete Maßnahmen formuliert.
Momentan geht der Weg in eine andere Richtung. Dies zeigt eine Umfrage der DUH
unter Betreibern von Steinkohlekraftwerken, die auch Fernwärme liefern. Den
Aussagen der Betreiber zufolge werden die Kraftwerke weit überwiegend auf
Erdgas umgestellt. Nur an zwei von 18 befragten Kraftwerksstandorten wird eine
Umstellung auf erneuerbare Wärme ernsthaft geprüft. Die erzeugte Fernwärme
bleibt damit auf Jahrzehnte weitgehend fossil – eine Entwicklung, die die
Klimaziele im Wärmesektor konterkariert. Der Anteil erneuerbarer Fernwärme
stagniert seit Jahren bei etwa 15 Prozent.
Offenbar scheint es nur wenig Anreize zu geben, erneuerbare Wärme zu nutzen.
Hauptgrund ist die immer noch anhaltende massive Förderung fossiler Energie –
und hier insbesondere der fossilen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). 72 Prozent der
über Wärmenetze verteilten Wärme stammt aus KWK-Anlagen. Diese erhalten eine
großzügige Vergütung von 1425 bis 3880 Euro pro Kilowatt installierter Leistung
während Technologien für erneuerbare Wärme nicht eigenständig gefördert werden.
Erneuerbare Wärme wird durch die KWK-Förderung erheblich ökonomisch
benachteiligt. Diese Einschätzung bestätigt sich auch in der Umfrage. Die
Umstellung auf Erdgas-KWK wird von den Kraftwerksbetreibern vor allem mit der
deutlich besseren Wirtschaftlichkeit gegenüber grünen Alternativen begründet.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Der
Kohleausstieg hätte zum Einstieg in die grüne Fernwärme genutzt werden müssen.
Doch die Bundesregierung hat diese Chance bisher verstreichen lassen und den
Unternehmen nur unzureichende Anreize gesetzt, in erneuerbare Wärme zu
investieren. Wichtiger war ihr, den großen Wärmeversorgern die lukrative
KWK-Förderung zu sichern und der Erdgas-Lobby neue Absatzquellen zu
verschaffen. Doch wer jetzt noch in fossile Kraftwerke investiert, verhindert
für Jahrzehnte den Umstieg auf grüne Wärme. Die Bundesregierung muss jetzt
sofort umsteuern und die Fördergelder in erneuerbare Wärme stecken. Erst dann
wird der Kohleausstieg zu einem Gewinn für den Klimaschutz.“
Die Fernwärme besitzt großes Potenzial für den Klimaschutz im Wärmesektor –
gerade in verdichteten Innenstadtbereichen, wo wenig freie Flächen zur
Verfügung stehen, um Solarthermieanlagen, Wärmepumpen oder ähnliches zu
installieren. 16,5 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs werden in Deutschland
über Wärmenetze bereitgestellt. Eine Ausweitung ist machbar und auch notwendig.
Bei Fernwärme können verschiedene Wärmequellen einschließlich Abwärme
kombiniert und große Speicher integriert werden. So kann ganzjährig
klimafreundliche Wärme bereitgestellt werden. Doch um das Klimaziel für 2050 zu
erreichen, muss jetzt investiert und geplant werden.
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH, kommentiert: „Die
Fernwärmebranche muss sich neu aufstellen, um den Herausforderungen des
Klimaschutzes gewachsen zu sein. Anderenfalls droht sie, ihr positives Image zu
verlieren. Die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung ist für eine nachhaltige
Wärmeversorgung nicht mehr ausreichend. Erneuerbare Alternativen weisen eine
größere Effizienz bei wenig bis keinen Treibhausgasen auf. Diese Erkenntnisse
müssen sich in Gesetzen und Förderprogrammen widerspiegeln. Dann haben
Unternehmen und Kommunen auch einen Anreiz, auf grüne Fernwärme umzusteigen.“
Um das Klimaschutzpotential der Fernwärme zu erschließen, müssen laut DUH
folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
1. Eine Förderung für erneuerbare Wärme muss direkt erfolgen, ohne den Umweg über die KWK-Förderung. Die Förderhöhe muss technologiespezifisch variieren.
2. Die Erzeugung von Strom und Wärme muss getrennt erfolgen. Die gekoppelte Erzeugung in KWK-Anlagen hält den fossilen Wärmeanteil unnötig hoch und verhindert den Einsatz erneuerbarer Wärme.
3. Die Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung darf nicht länger als „hocheffizient“ eingestuft und mit diesem Label gefördert werden. Systeme mit erneuerbarer Wärme sind ihnen bei der Effizienz überlegen.
4. Der Primärenergiefaktor als Maß für die Umweltfreundlichkeit muss für Fernwärme zukünftig nach der sogenannten Carnot-Methode berechnet werden. Die derzeitige Methode lässt fossile Fernwärme rechnerisch klimafreundlich erscheinen und bremst Investitionen in grüne Wärme und gute Gebäudedämmung aus.
5. Jegliche Förderung fossiler Wärme – zum Beispiel fossiler KWK-Anlagen – muss gestoppt werden, um die ökonomische Benachteiligung grüner Wärme zu beenden.
6. Kommunen müssen zu einer Wärmeplanung im Sinne der Klimaziele verpflichtet werden, um dort, wo es sinnvoll ist, die Umstellung auf grüne (Fern-)Wärme anzustoßen.
7. Es muss geprüft werden,
inwiefern die Einspeisung erneuerbarer Wärme von Dritten in Wärmenetze ohne
Nachteile gestaltet werden kann. Wärmeerzeugung und Wärmenetzbetrieb müssen
entflochten werden.
Die befragten Betreiber der Steinkohlekraftwerke hoffen indessen darauf, später
mit erneuerbaren Gasen wie grünem Wasserstoff oder Biomethan ihre
Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Doch damit verlieren sie wertvolle Zeit.
Mit Wärme aus Geothermie und Solarthermie oder Umweltwärme aus Luft, Wasser und
Boden könnten sie schon heute ihre Emissionen deutlich senken. Die Technologien
sind praxisreif verfügbar. Auch werden grüne Gase nicht in großen Mengen zur
Verfügung stehen und vermutlich sehr teuer sein. Sie verbrauchen zudem deutlich
mehr Umweltressourcen. Es ist sinnvoller, grünen Strom in Wärmepumpen zu
verwenden, als ihn mit entsprechenden Verlusten in grünes Gas umzuwandeln.
Hintergrund:
Die Umfrage der DUH bei Steinkohlekraftwerken wurde im Dezember 2020/Januar 2021 durchgeführt. Steinkohlekraftwerke müssen im Zuge des Kohleausstiegs als Erste schließen. Insgesamt erzeugen Steinkohlekraftwerke mit Wärmeauskopplung jährlich 21 Terawattstunden Wärme für die öffentliche Versorgung in Fernwärmenetzen. Von den 37 befragten Standorten haben 18 Angaben zu ihren Zukunftsplänen gemacht.
Link:
Zum Forderungspapier „Mehr grüne Fernwärme“: http://l.duh.de/p210211
Mein Kommentar: Alle Kohlekraftwerke sollten zwingend mit CO2-Abscheidetechnologie ausgestattet werden. Dies ist machbar, bezahlbar und besser für uns alle. Die Verklappung läst sich auch noch lösen. Die Politik sollte dies endlich auch von anderen Staaten insbesondere China, USA, Indien, Russland und UK einfordern. G. R.