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Endstation Ahnengalerie

Wohl nie in der Geschichte der Fotografie war die Anzahl privater Bilder größer als heute. Es ist einfach geworden. Und so wird fotografiert was das Zeug hält. Doch was bleibt von der Bilderflut? Wie lange hält der Mehrwert eines Fotos?

Ab und an denke ich mit Schrecken an meine Bilderkisten, die ich lange nicht mehr durchstöbert habe. Dazu noch meine Fotoalben aus Kinder- und Jugendzeiten und natürlich mein digitales Archiv. Irgendwann wird irgendwer Zugriff auf diese privaten Aufnahmen haben. Im besten Falle Angehörige, die einige dieser Momente mit mir geteilt haben. Und dennoch: warum sollte meine Familie sich für die Urlaubsfotos aus dem Italienurlaub 1980 interessieren? Und werden sie sich gar verpflichtet fühlen, diese pietätvoll einige Zeit zu archivieren?

Ich denke an die Polaroids aus den wilden Jahren Anfang der 90er. Agentur-Partyfotos vorzugsweise, die über Jahre, an meine Pinnwand geheftet, mehrfach mit mir umgezogen sind. Die Polaroids verblassten mit der Zeit mehr und mehr. Und obwohl ich noch gerne an die Zeit zurückdenke, muss ich zugeben, dass auch meine Erinnerungen verblassen. Irgendwann habe ich die Polaroids von der Pinnwand genommen und sie mir noch einmal angeschaut.

Einigen Gesichtern konnte ich keine Namen mehr zuordnen, andere mochte ich nicht einmal. Die, die mir wichtig waren, sind im echten Leben geblieben. Es sind längst neue Fotos entstanden, und wir erinnern uns gerne gemeinsam an diese Zeit. Verblassende Fotos: Eine charmante Lösung, wie ich finde.

Polaroids. Begleiter auf Zeit

Gerne schaue ich mir auch die Passfoto-Strecke an, die mich mit meiner Schwester zeigt. Bei jedem Ausflug, einmal in den Automaten, war und ist Pflicht. Eine Dokumentation der Verbundenheit und eines gemeinsamen Weges. Ich kann nur vermuten, dass es diese Fotos noch eine Generation weiter schaffen und vielleicht Einzug in die Ahnen-Galerie meines Neffen finden.

Es gibt auch Fotos, die wichtig sind. Fotos, die Halt und Trost geben. Soldaten trugen und tragen Fotos ihrer Liebsten mit, um - in der Hoffnung auf ein Wiedersehen - über die Zeit zu kommen Ein Bild der verstorbenen Mutter, des Vaters, der Schwester oder des Bruders finden einen zentralen Platz in der Wohnung. Damit der Mensch noch da ist - in unserer Mitte - in unserem Leben. 

Aber machen wir uns nichts vor. Irgendwann sind wir plötzlich die unbekannte Ur-Großtante in der Ahnen-Galerie, deren Namen keiner mehr kennt. Und vielleicht sollten wir uns rechtzeitig trennen. Von Fotos, die keine Relevanz haben. Weder heute für uns und schon gar nicht später für die Galerie.


Fotos: https://pixabay.com/de