Die Europäische Kommission hat heute beim Europäischen Gerichtshof
(EuGH) gegen Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der
Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie Klage eingereicht. Sie wirft Bund
und Ländern vor, die als Natura-2000-Gebiete ausgewiesenen FFH-Flächen
unzureichend rechtlich zu sichern und keine ausreichend konkreten
Schutzziele zu formulieren.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: "Offenbar haben Bund und Länder den genau vor einem Jahr ergangenen Warnschuss, die sogenannte begründete Stellungnahme, der EU-Kommission nicht gehört und die Missstände nicht behoben. Jetzt drohen eine weitere Verurteilung durch die Richter in Luxemburg und bei weiterem Nichtstun unter Umständen sogar Strafzahlungen. Die Länder und der Bund müssen endlich tätig werden."
Dass Deutschland bisher keine gebietsspezifischen Erhaltungsmaßnahmen festgelegt und umgesetzt hat, ist der aus NABU-Sicht schwerwiegendste Vorwurf. Raphael Weyland, NABU-EU-Umweltrechtsexperte: "Es ist ein Unding, dass dies auch sieben Jahre nach Einleitung dieses Vertragsverletzungsverfahrens und fast drei Jahrzehnte nach Inkrafttreten der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie noch erstritten werden muss. Dabei geht es hier um das Umsetzen von Vorgaben, zu denen sich Deutschland bereits 1992 verpflichtet hat, und nicht etwa um das Ausweisen neuer Schutzgebiete."
Die Konsequenzen der mangelhaften Natura-2000-Umsetzung sind auch in Nord- und Ostsee nicht zu übersehen. Zuletzt dokumentierten Wissenschaftler einen Rückgang des streng geschützten Schweinswals in seiner Kinderstube im Sylter Außenriff um jährlich fast vier Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten. "Weder in Schutzgebieten noch in wichtigen Wanderkorridoren wird Deutschlands einziger heimischer Wal wirksam vor den Auswirkungen von Fischerei, Schifffahrt oder Offshorewind geschützt", kritisiert NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff.
Aus NABU-Sicht sind
zunächst vor allem die Bundesländer am Zug. Sie müssen die Vorgaben
systematisch umsetzen. Die Bundesregierung muss dies für die marinen
Gebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee
tun.
"Damit in den Gebieten aber tatsächlich Arten und Lebensräume
geschützt werden, ist eine ausreichende Finanzierung notwendig. Wer
nicht mit Verboten und Vorgaben arbeiten will, muss Landwirten und
Waldbesitzern attraktive Anreize für Naturschutzmaßnahmen bieten", so
Weyland. Basierend auf Zahlen der Bundesregierung schätzt der NABU, dass
hierfür 1,4 Milliarden Euro im Jahr notwendig sind.
Weyland: "Diese
müssen und können durch Umschichtung von bisher pauschal fließenden
Agrarzahlungen mobilisiert werden. Doch die derzeitigen Pläne des
Bundeslandwirtschaftsministeriums ignorieren dies völlig und riskieren
so weiter schmerzhafte Urteile des Europäischen Gerichtshofs."
NABU