Münster/Dortmund (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) will sich mit globalen und regionalen Phänomenen sowie den Auswirkungen des Kolonialismus auseinandersetzen. Eine große Sonderausstellung zu diesem Themenkomplex ist von Juni 2023 bis Mai 2024 im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund geplant. Sie steht im Zentrum eines Themenjahres, in dessen Rahmen sich zahlreiche LWL-Einrichtungen mit der Geschichte und den Langzeitwirkungen des Kolonialismus beschäftigen. Der LWL-Kulturausschuss hat dieses Ausstellungsvorhaben am Mittwoch (17.2.) befürwortet, die finale Entscheidung fällt der LWL-Landschaftsausschuss noch in diesem Monat.
"Die Ausstellung soll dazu ermutigen, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen und über vorherrschende Vorurteile und Stereotypen zu reflektieren. Auch will sie zu Diskussionen darüber anregen, wie koloniale Machtstrukturen, die bis zum heutigen Tage unser gesellschaftliches Leben prägen, überwunden werden können. Denn Dekolonisation beginnt in den Köpfen, bevor sie sich im Alltag und in unseren Handlungen wiederfindet", sagte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.
Ziel der Ausstellung ist es, nicht nur auf die Kolonialzeit zurückzublicken, sondern vor allem die Kontinuitäten und Komplexitäten (post-)kolonialer Verflechtungen in Westfalen-Lippe aufzuzeigen. Dabei stellt sie nicht nur die globalen Aspekte des Kolonialismus wie Herrschaft, Verwaltung und Enteignung in den damaligen Kolonien vor. Es geht auch um regionale Aspekte wie die Rolle der westfälischen Industrie, von Händlern, Missionaren, Reisenden und der Unterhaltungsindustrie. Großen Raum soll auch die Gegenwart einnehmen: Hier stehen Alltagsrassismus, der Umgang mit dem kolonialen Erbe in Museen, Restitutionsdebatten, Denkmaldebatten, Entwicklungspolitik und Freihandelsabkommen im Mittelpunkt. So will die Ausstellung die Wirkmacht und Langlebigkeit kolonialer Strukturen und Auswirkungen auf unser Denken und Handeln beleuchten.
Zu sehen sind unter anderem Lehrmaterialien, die in Westfalen-Lippe von 1900 bis 1970 genutzt wurden, menschliche Schädel von Kolonialisierten, die die Basis waren für die aus heutiger Sicht pseudowissenschaftliche Kategorisierung von Menschen in "Rassen". Die Ausstellung zeigt auch Exponate aus sogenannten "Völkerschauen", die es auch in Münster und Dortmund gab. Dabei wurden Indigene vor Publikum zur Schau gestellt, die als "typisch" erachtete Tätigkeiten wie Jagen, Tanzen oder Handarbeiten vorführen mussten. Bei diesen Veranstaltungen wurden Stereotypen entwickelt bzw. verfestigt, die auch heute noch zu finden sind. Zudem zeigen Objekte aus den missionsgeschichtlichen Sammlungen wie Tagebücher, Fotos, ethnografische Exponate, Reisebeschreibungen und politische Protestbriefe, welche ambivalente Rolle Missionar:innen bei der Kolonialisierung der "Neuen Welt" spielten.
Zentrales Anliegen des LWL ist es, die Vielschichtigkeit und Ambivalenzen des Themas anhand unterschiedlicher Perspektiven darzustellen. Daher sollen diverse Akteur:innen, insbesondere aus den ehemaligen deutschen Kolonien, in die Ausstellungskonzeption und das Rahmenprogramm eingebunden werden und eine zentrale Stellung innerhalb des Themenjahres einnehmen.
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vom 19. Februar 2021