Berlin, 22.2.2021: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor dem
Oberlandesgericht (OLG) München ein Grundsatzurteil für eine bessere
Rücknahme ausgedienter Elektroaltgeräte durch Online-Händler
erstritten. Demnach dürfen die Unternehmen nicht einfach nur pauschal
für die Rücknahme alter quecksilberhaltiger Energiesparlampen einen
Paketversand anbieten oder auf ein Filialnetz verweisen, wie es der
Großteil der Branche aktuell handhabt. Vielmehr müssen sie kostenlose,
verbraucherfreundliche und wohnortnahe Entsorgungsmöglichkeiten
anbieten. Die DUH verlangt deshalb von allen Online-Händlern, dass sie
die Rücknahme von Elektroaltgeräten sofort rechtskonform regeln.
Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband hat im konkreten Fall
erfolgreich gegen die MMS E-Commerce GmbH (MediaMarkt-Saturn) geklagt.
Die größte Elektrohandelskette Europas hatte Verbraucherinnen und
Verbrauchern keine zumutbare Rückgabemöglichkeit für
quecksilberhaltige Altlampen angeboten. Sie sollten entweder zu einer
Filiale der Handelskette fahren, was im vorliegenden Fall 50 Kilometer
gewesen wären, oder die Altlampen per Postversand zurückschicken, was
jedoch bei Lampen mit Gefahrstoffen nicht erlaubt ist.
„_Das Urteil ist ein großer Erfolg für den Umwelt- und
Verbraucherschutz sowie ein Warnruf an die Handelsbranche: Bundesweit
lediglich 433 Sammelstellen für Elektroschrott wie im vorliegenden Fall
– und damit Entfernungen von 50 Kilometern zur nächsten Sammelstelle
– sind weder verbraucherfreundlich noch gesetzeskonform. Zudem dürfen
quecksilberhaltige Altlampen nicht per Postversand zur Entsorgung
verschickt werden, da dies nach den Transportrichtlinien der Deutschen
Post und anderer Paketdienstleister ausgeschlossen ist. Online-Händler,
die Elektrogeräte verkaufen, müssen jetzt sofort überprüfen, ob sie
Verbraucherinnen und Verbrauchern angemessene Rückgabemöglichkeiten
für Elektroschrott anbieten – und falls nicht, umgehend handeln. Das
bedeutet: Sie müssen Altgeräte am Ort der Auslieferung von Neugeräten
oder über eine stationäre Sammelstelle pro Postleitzahlgebiet
zurücknehmen_“, fordert die Stellvertretende
DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Onlinehändler haben die Möglichkeit, sich an bestehenden bundesweit
agierenden Sammelsystemen für Elektroaltgeräte finanziell zu
beteiligen, in Kooperation mit anderen stationär agierenden Händlern
möglichst viele Rückgabestellen anzubieten oder auch mit kommunalen
Entsorgern zu kooperieren.
Rechtsanwalt Roland Demleitner vertrat die DUH vor Gericht und betont,
das OLG München habe mit seiner Entscheidung die Rechte von
Verbraucherinnen und Verbrauchern bei der Rückgabe alter gebrauchter
Elektrogeräte an den Handel gestärkt. „_Online-Händler müssen auch
bei der Rücknahme quecksilberhaltiger Altlampen die Vorgaben des
Elektro- und Elektronikgerätegesetzes einhalten und können für sich
keinen Sonderstatus beanspruchen. Sie dürfen einen rückgabewilligen
Verbraucher nicht darauf verweisen, alte gebrauchte Beleuchtungskörper,
die für die menschliche Gesundheit gefährliche Stoffe wie Quecksilber
enthalten, mittels einfachem Postversand zur Entsorgung zurückzugeben,
weil dies aus ihrer Sicht vielleicht der einfachste, aber eben nicht
zulässige Entsorgungsweg ist_“, so Demleitner.
Tests der DUH haben wiederholt erhebliche Probleme bei der gesetzlich
vorgeschriebenen Rücknahme von Elektroaltgeräten im Online-Handel
aufgezeigt. Die DUH fordert daher die zuständigen Landesbehörden auf,
eigene verdeckte Testbesuche durchzuführen und bei Verstößen hohe
Bußgelder zu verhängen. Solange die Behörden untätig bleiben, wird
die DUH die ordnungsgemäße Rücknahme von Elektroschrott weiter
kontrollieren und notfalls auf dem Rechtsweg durchsetzen.
„_Damit Elektroschrott nicht im Hausmüll oder der Umwelt landet, ist
der Online-Handel gesetzlich verpflichtet, ihn kostenfrei
zurückzunehmen. Durch die Corona-Krise boomt der Versandhandel und
dennoch lassen selbst große Online-Händler wie Saturn Verbraucherinnen
und Verbraucher auf schadstoffhaltigem Elektroschrott sitzen. Die
zuständigen Überwachungsbehörden werden ihrer Kontrollfunktion
offensichtlich nicht gerecht. Die Bundesländer müssen dringend
ausreichend Personal bereitstellen, damit die gesetzlichen
Rückgaberechte nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch in der
Praxis umgesetzt werden_“, sagt der Stellvertretende Leiter des
Bereichs Kreislaufwirtschaft bei der DUH, Philipp Sommer.
Hintergrund:
Im vorliegenden Rechtsstreit verurteilten zunächst das Landgericht
Ingolstadt die Saturn Online GmbH sowie nun das Oberlandesgericht
München die MMS E-Commerce GmbH dazu, für quecksilberhaltige
Altlampen, wie etwa Energiesparlampen, zukünftig geeignete
Rücknahmemöglichkeiten in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen
Endverbraucher zu schaffen (AZ 6 U 1549/20). Eine Revision des
Verfahrens ist durch das Oberlandesgericht München nicht zugelassen.
Seit dem 24. Juli 2016 können Verbraucherinnen und Verbraucher
ausgediente Elektrokleingeräte bis 25 cm kostenlos bei Händlern
abgeben, die Elektrogeräte auf einer Fläche von mindestens 400
Quadratmetern verkaufen – bei Online-Händlern gilt die Versand- und
Lagerfläche. Die kostenlose Abgabe von Altgeräten größer als 25 cm
ist beim Kauf eines ähnlichen Neugeräts möglich. Mit einer
Rücknahmemenge von 98.925 Tonnen im Jahr 2019 leistet der Handel bisher
nur einen geringen Beitrag zur Sammlung von Elektroschrott. 2018
erreichte Deutschland lediglich eine Elektroschrott-Sammelquote von 43,1
Prozent und nach vorläufigen Zahlen der Stiftung Elektro-Altgeräte
Register wird die Sammelquote in 2019 weiter absinken. Falsch entsorgter
Elektroschrott schadet durch austretende Schadstoffe der Umwelt und der
menschlichen Gesundheit.
Deutsche Umwelthilfe vom 22.02.2021