"Wir werden die brasilianische Gesellschaft von unseren Vorschlägen überzeugen müssen", sagte Lula vor enttäuschten Anhängern in Sao Paulo. Der Kampf gehe nun weiter "bis zum endgültigen Sieg, das ist unser Motto", sagte der 76-jährige Ex-Präsident, der Brasilien bereits von 2003 bis 2010 regierte. Er versprach nun "mehr Reisen, mehr Auftritte", um mehr Brasilianer für sich zu gewinnen.
Widersacher Bolsonaro zeigte sich trotz der Niederlage im ersten Wahldurchgang siegesgewiss. "Wir haben die Lüge besiegt", erklärte der rechtsextreme Politiker nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, das erheblich von den Vorhersagen des Meinungsforschungsinstitut Datafolha abwich.
Datafolha-Umfragen hatten Herausforderer Lula bereits im ersten Durchgang bei 50 Prozent der Stimmen und damit einem weitaus größeren Vorsprung vor Amtsinhaber Bolsonaro gesehen. Dieser lag Datafolha zufolge mit 36 Prozent hinter Lula zurück, schnitt nun aber weitaus besser ab als erwartet.
Experten zufolge geht Bolsonaro gestärkt aus dem ersten Wahldurchgang hervor - auch aufgrund des Wahlsiegs zahlreicher rechter Kandidaten im Kongress und im Senat. Der "Bolsonarismus" habe diese erste Runde gewonnen, sagte Bruna Santos vom Brasilien-Institut des Wilson Center in Washington. "Wir werden eine zweite Runde in einem radikal polarisierten Umfeld erleben", sagte die Politikwissenschaftlerin.
Für den rechtsextremen Staatschef könnten die vier Wochen bis zur Stichwahl eine Gelegenheit sein, seine Anhänger weiter zu mobilisieren. "Bolsonaro könnte dies zu einem Wettbewerb machen", sagte Michael Shifter vom Politikinstitut Inter-American Dialogue. "Statt des großen Comebacks (für Lula) könnte es der große Umsturz werden", sagte der Politikwissenschaftler.
Bolsonaro hat zuvor mehrmals angekündigt, das Wahlergebnis anzufechten, sollte er verlieren. Viele Menschen befürchten eine brasilianische Version der Unruhen, die nach der Weigerung von Bolsonaros politischem Vorbild Donald Trump, seine Niederlage anzuerkennen, die USA erschütterten.
kas
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