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Lebenslange Haft für Angeklagte im MH17-Abschuss-Prozess

Mehr als acht Jahre nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine hat ein niederländisches Gericht drei Angeklagte in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.

Das Urteil wegen Mordes und des vorsätzlich verursachten Absturzes des Flugzeugs gilt für zwei Russen und einen Ukrainer, ein weiterer Angeklagter wurde von dem Gericht am Donnerstag freigesprochen. 

Beim Abschuss des Passagierflugzeugs über der Ostukraine am 17. Juli 2014 waren 298 Menschen getötet worden, unter ihnen 196 Niederländer. Der Vorfall hatte weltweit Empörung ausgelöst. Aufnahmen zeigten mit Leichen und Wrackteilen übersäte Sonnenblumenfelder - einige der Opfer, darunter auch Kinder, waren noch in ihren Sitzen angeschnallt.

Das Gericht sah es nun als erwiesen an, dass das Flugzeug von einer Boden-Luft-Rakete vom Typ BUK (Wikipedia) abgeschossen wurde. Diese sei von einem Feld in einem Gebiet im Osten der Ukraine abgefeuert worden, das von der selbsternannten pro-russischen Volksrepublik Donezk kontrolliert wird. 

"Es gibt eine Fülle von Beweisen, die diese Schlussfolgerung stützen", sagte der Vorsitzende Richter Hendrik Steenhuis. Die Beweise umfassten unter anderem abgefangene Telefongespräche und Handydaten, Video- und Fotoaufnahmen sowie forensisches Material. So sei etwa ein Fragment der Rakete in der Leiche eines Besatzungsmitglieds im Cockpit gefunden worden.

Die beiden Russen Igor Girkin (Wikipedia) und Sergej Dubinski sowie der Ukrainer Leonid Chartschenko waren demnach maßgeblich daran beteiligt, die Rakete in die Ostukraine zu bringen - auch wenn sie das Flugzeug nicht eigenhändig abschossen. Der ebenfalls angeklagte Russe Oleg Pulatow erhielt hingegen einen Freispruch. Für seine Beteiligung habe es keine ausreichenden Beweise gegeben, sagten die Richter.

Das Gericht schloss von der Verteidigung vorgebrachte "alternative Szenarien" aus, wonach hinter dem Abschuss auch ein ukrainischer Jet stehen könnte. Die Richter stellten zudem fest, dass Donezk zum Zeitpunkt des Abschusses "unter Kontrolle der Russischen Föderation" stand. 

Russland bestreite jedoch "bis heute", dass es die Region damals kontrolliert habe, erklärten die Richter. Damit hätten die Angeklagten keinen Anspruch auf Immunität als Kämpfer in einem internationalen Konflikt. Moskau bestreitet jegliche Beteiligung an der Tragödie.

Die ukrainische Armee kämpft seit 2014 gegen pro-russische Milizen in der Ostukraine. Heute gehört das Gebiet, in das die Maschine gestürzt war, zu den wichtigsten Schlachtfeldern des seit Februar dauernden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte das Urteil und sprach von einer "wichtigen Gerichtsentscheidung". "Die Bestrafung aller russischen Gräueltaten - sowohl jenen von gestern als auch von heute - wird unvermeidlich sein", erklärte er.

Girkin war früher russischer Geheimdienstoffizier und später Verteidigungsminister der selbsternannten Volksrepublik Donezk. Der 51-Jährige stand nach Auffassung der Staatsanwaltschaft in Kontakt mit Moskau, um das Raketensystem zu erhalten.

Auch Dubinski soll Verbindungen zum russischen Geheimdienst gehabt haben. Der 60-Jährige diente demnach als Chef des Militärgeheimdienstes der Separatisten und gab Anweisungen zu der Rakete. Der 50-jährige Chartschenko soll angeblich eine Kampfeinheit in der Region geleitet haben.

Die vier Männer halten sich nicht in den Niederlanden auf und hatten sich geweigert, vor Gericht zu erschienen. Allein Pulatow ließ sich von Anwälten vor Gericht vertreten. 

Das Verfahren fand seit März 2020 unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in der Nähe des Amsterdamer Flughafens Schiphol statt, von wo aus die Maschine der Fluggesellschaft Malaysia Airlines damals in Richtung Kuala Lumpur gestartet war. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft für alle vier Angeklagten gefordert. Dutzende Familien von Angehörigen aus aller Welt waren zur Urteilsverkündung angereist.

noe/ju