In Polen hat die Parlamentswahl begonnen, bei der ein enges Rennen und Richtungsentscheidungen zu Polens Unterstützung für die Ukraine und für seine Rolle in der EU erwartet werden. Die Wahllokale sollen bis Sonntagabend um 21.00 Uhr geöffnet bleiben, erste Nachwahlbefragungen werden unmittelbar danach veröffentlicht.
In Umfragen lag die rechtsnationalistische Regierungspartei PiS zuletzt knapp vor der Bürgerplattform des pro-europäischen Ex-Regierungschefs Donald Tusk.
Zu dem Urnengang sind rund 29 Millionen Bürger aufgerufen, darunter eine halbe Million im Ausland lebende Polen. Die PiS, deren Wahlkampf auch stark von anti-deutschen Tönen geprägt war, führte in den Umfragen zuletzt mit 32 bis 34 Prozent. Tusks oppositionelle Bürgerplattform lag aber nur knapp dahinter.
Den Umfragen zufolge wären sowohl die PiS als auch die Bürgerplattform bei einem Wahlsieg auf Koalitionspartner angewiesen. Für die PiS wäre ein Bündnis mit der rechtsextremen Konföderationspartei denkbar, die aber ein Ende der Ukraine-Hilfen fordert. Somit steht für die Ukraine viel auf dem Spiel, bislang war Warschau einer der wichtigsten Verbündeten bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg.
Die Konföderationspartei schloss ein Bündnis mit der PiS vorab allerdings aus. Einige Experten halten diese Koalition wegen der schwelenden Spannungen zwischen den beiden Parteien tatsächlich für unwahrscheinlich.
Die PiS-Regierung mit ihrem Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki führt seit Jahren einen Machtkampf mit Brüssel, vor allem wegen ihrer Justizreform, die von Kritikern als Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verurteilt wird. Die Wahl entscheidet somit auch darüber, ob der Konfrontationskurs gegen Brüssel weitergeht oder nicht. Zu den vielen scharfen Attacken der PiS ѡ gegen Tusk gehörte im Wahlkampf auch der Vorwurf, der ehemalige EU-Ratspräsident handele im Interesse Deutschlands, der EU und Russlands.
"Wir sind in der EU und wir wollen dort bleiben, aber in einer EU souveräner Staaten", sagte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski am Freitag bei der letzten Wahlkundgebung seiner Partei in Sandomierz.
Tusk ѡ warf der PiS auf seiner Abschlusskundgebung in Pruszkow vor, sie habe "geheime Pläne" für einen EU-Austritt Polens. Die PiS führe "das Land den falschen Weg". Daher sei die Parlamentswahl "der wichtigste Tag in der Geschichte unserer Demokratie seit 1989".
Bei der Wahl am Sonntag entscheiden die Polen über beide Parlamentskammern. Außerdem findet zeitgleich ein von der PiS organisiertes Referendum über Fragen zur Einwanderung und zur Wirtschaft statt. Die Opposition hat zum Boykott des Referendums aufgerufen.
yb/oer Dario THUBURN / © Agence France-Presse