Die Europäische Union ist gespalten in der Frage, ob im Nahost-Krieg eine humanitäre Feuerpause gefordert werden soll.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich am Montag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg zurückhaltend, andere Länder befürworten dagegen eine solche Forderung. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hofft auf einen Konsens bis zum EU-Gipfel in Brüssel Ende dieser Woche.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte am Wochenende am Rande des Nahost-Gipfels in Kairo zu einem vorläufigen Ende der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas aufgerufen. Er sprach sich für einen "humanitären Waffenstillstand" aus, während Borrell in Luxemburg eine "humanitäre Pause" forderte.
Dies sei etwas anderes, sagte der Spanier nach dem Außenministertreffen. Eine Feuerpause sei "ein weniger ehrgeiziges Ziel als ein Waffenstillstand", betonte er. Es gehe darum, kurzfristig humanitäre Hilfe zu den Menschen im Gazastreifen zu bringen und Menschen zu helfen, die wegen der erwarteten israelischen Bodenoffensive ihre Häuser verlassen mussten. Er sei zuversichtlich, dass dies die Unterstützung der EU-Staats- und Regierungschefs finde.
In Berlin wird allerdings befürchtet, ein solcher Passus könne als Infragestellen des israelischen Rechts auf Selbstverteidigung ausgelegt werden, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin deutlich machte. Baerbock sagte in Luxemburg: "Wir können die humanitäre Katastrophe nicht eindämmen, wenn der Terrorismus von Gaza so weiter geht." Sie bezog sich damit auf die fortgesetzten Angriffe der radikalislamischen Hamas auf Israel.
Deutlicher formulierte es Italiens Außenminister Antonio Tajani: "Wir können Israel nicht sagen, es darf sich nicht mehr selbst verteidigen, solange die Hamas Raketen auf seine Städte abfeuert", betonte er. Neben Deutschland und Italien äußerten auch Tschechien, Lettland und die Niederlande Bedenken hinsichtlich Borrells Vorschlag.
Am Donnerstag und Freitag beraten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel über den Nahost-Krieg. In der vorläufigen Gipfelerklärung, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, heißt es noch: "Der Europäische Rat unterstützt die Forderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Guterres, nach einer humanitären Pause, um einen sicheren Zugang für die humanitäre Hilfe zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass die Hilfsbedürftigen erreicht werden."
Deutschland dürfte aber darauf dringen, die Passage bis zum Beginn des EU-Gipfels noch zu ändern oder zu streichen. Nach dem Außenministertreffen bestätigten Diplomaten, für die Passage in ihrer jetzigen Form gebe es nicht den nötigen Konsens. Einig sei sich die EU dagegen, dass die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen beschleunigt werden müsse.
Baerbockflog nach dem EU-Treffen direkt weiter nach New York. Sie nimmt dort am Dienstag an einer offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats zum Nahost-Krieg teil. Die Grünen-Politikerin warnte bei ihrer Abreise, die Hamas wolle "einen Keil des Hasses" in die Weltgemeinschaft treiben und den Antisemitismus in der Gesellschaft fördern.
lob/ju Stephanie LOB / © Agence France-Presse