Die deutsche Wirtschaft stagniert seit nunmehr einem Jahr weitgehend, zugleich ging die Inflation zuletzt stark zurück.
Im dritten Quartal von Juli bis September sank die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte. Die Teuerungsrate im Jahresvergleich lag im Oktober ebenfalls laut einer ersten Schätzung der Statistiker bei 3,8 Prozent - nach 4,5 Prozent im September und 6,1 Prozent im August.
In den Vorquartalen war die Wirtschaftsleistung zunächst leicht gesunken, hatte dann stagniert und legte dann wieder leicht zu. Für den erneuten leichten Rückgang im dritten Quartal sind dem Statistische Bundesamt zufolge besonders die schwachen privaten Konsumausgaben verantwortlich. "Positive Impulse kamen dagegen von den Ausrüstungsinvestitionen", erklärten die Statistiker. Darunter fallen etwa Anlagen, Maschinen und Fahrzeuge.
Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung im dritten Quartal gibt die Behörde Ende November bekannt. Für die Vorquartale nahmen die Statistiker mehrere leichte Revisionen vor und betonten, dass auch die aktuellen Ergebnisse "mit größeren Unsicherheiten als sonst üblich behaftet" seien.
Mit einer Konjunkturerholung rechnen Experten - wenn überhaupt - erst ab 2024. "Die deutsche Wirtschaft steckt seit nunmehr einem Jahr in der Flaute", erklärte Peter Hohlfeld, Konjunkturexperte des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ѡ der Hans-Böckler-Stiftung. "Erst im Verlauf des nächsten Jahres ist damit zu rechnen, dass die deutsche Konjunktur auf einen moderaten Erholungskurs einschwenkt."
Der ING-Analyst Carsten Brzeski erwartet auch im kommenden Jahr bestenfalls eine Stagnation der deutschen Wirtschaft. Er verwies auf Probleme wie die Folgen der Inflation, hohe Energiepreise und Zinsen sowie "die sich wandelnde Rolle Chinas von einem florierenden Exportland zu einem Rivalen, der weniger deutsche Produkte benötigt". Hinzu kämen strukturelle Herausforderungen wie die alternde Bevölkerung und geringe Investitionen. All dies werde "in absehbarer Zeit nicht verschwinden"
Der Wirtschaftsabschwung ist auch am Arbeitsmarkt spürbar. Das Arbeitsmarktbarometer des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg fiel im Oktober im Vergleich zum Vormonat um 0,4 Punkte. Mit 99,5 Punkten liegt es im negativen Bereich und prognostiziert demnach eine steigende Arbeitslosigkeit. "Dem Arbeitsmarkt steht ein schwieriger Winter bevor", erklärte der IAB-Forscher Enzo Weber.
Immerhin geht die Inflation aber spürbar zurück. Dämpfend wirkten hier vor allem die Energiepreise, wie das Statistische Bundesamt erläuterte. Sie gingen um 3,2 Prozent im Vergleich zum Oktober 2022 zurück. Zuletzt waren die Energiepreise im Vorjahresvergleich im Januar 2021 gesunken.
Wesentlich teurer als vor einem Jahr waren dagegen Nahrungsmittel. Hier stiegen die Preise um 6,1 Prozent. Allerdings schwächte sich der Preisauftrieb hier ab: Im September waren die Nahrungsmittelpreise noch um 7,5 Prozent gestiegen, im August um 9,0 Prozent und im Juli um 11,0 Prozent.
"Genau vor einem Jahr hatten die Energiepreise für Verbraucher ihr vorläufiges Maximum erreicht", erklärte die Chefvolkswirtin der Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. "Dieser Rückenwind wird sich in den kommenden Monaten abschwächen und mit der Einführung der Preisbremsen im vergangenen Dezember zeitweise sogar umkehren." Zur Jahreswende erwarte sie daher wieder einen Anstieg der Inflation.
Die Geldpolitik-Expertin des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Silke Tober, rechnet dagegen damit, dass der "Sinkflug der Inflation" sich in der Tendenz in den kommenden Monaten fortsetzen wird. "Denn vor allem bei Lebensmitteln, Erdgas und Strom sind noch längst nicht alle Rückgänge bei den Weltmarktpreisen an die Verbraucher weitergegeben."
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