Angeführt vom überragenden Julian Köster behielt die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason im Hauptrunden-Showdown gegen den WM-Achten Ungarn die Nerven und darf nach einem 35:28 (18:17) mehr denn je von einem neuen Wintermärchen im eigenen Land träumen.
"Ich muss sagen, 60 Minuten lang war es eine phänomenale Abwehr, die Jungs haben unglaublich gearbeitet", sagte Gislason am ZDF-Mikrophon. Es sei dann auch noch "ein überragender Angriff" gewesen: "Ich kann relativ zufrieden sein."
Dank des souveränen Erfolgs und französischer Schützenhilfe reicht dem deutschen Team ein Sieg beim "Matchball" gegen die bereits gescheiterten Kroaten am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD und Dyn), um in die Runde der letzten Vier einzuziehen. Die Medaillenspiele sind greifbar nahe.
Zwar benötigte Deutschland gegen Ungarn eine gewisse Warmlaufphase. Doch im zweiten Durchgang überzeugte das Gislason-Team mit einer bärenstarken Defensive und riss die 19.750 Zuschauer mit Highspeed-Handball von den Sitzen. Dass der bislang überragende Andreas Wolff seine erste Parade erst in der 39. Minute zeigte, fiel nicht ins Gewicht.
Bester deutscher Akteur war diesmal Köster. Der Kölner war mit acht Treffern nicht nur bester DHB-Werfer, sondern glänzte auch als Anspieler und zusammen mit Kapitän Johannes Golla in der Defensive. Durch den Erfolg sprang Deutschland mit 5:3 Punkten in der Hauptrundengruppe I an Ungarn (4:4) vorbei auf den zweiten Platz. Unter Umständen könnte am Mittwoch schon ein Unentschieden für den Halbfinaleinzug reichen.
Für einen Schuss Extramotivation sorgte eine Stunde vor der Partie der 33:28-Erfolg der Franzosen gegen Österreich (4:4 Punkte), durch den das Halbfinale plötzlich wieder aus eigener Kraft zu erreichen war. Doch Gislason blieb am ZDF-Mikro ganz bei seinem Team: "Wir müssen viel besser mit unseren Chancen umgehen", forderte der Isländer zwei Tage nach der schwachen Vorstellung gegen Österreich (22:22).
Dies klappte zunächst nur bedingt, die Anfangsphase gehörte den Ungarn. Dies lag zum einen daran, dass Deutschland vorne in den ersten acht Minuten gleich vier klare Würfe vergab. Vor allem aber bekam Wolff diesmal keinen Ball zu fassen. Als der Keeper nach zwölf Minuten für den jungen David Späth Platz machte, hatte er noch kein Tor verhindert, aber schon acht kassiert.
Die Abwehr blieb zunächst die Achillesferse der deutschen Mannschaft. Doch im Angriff agierten Knorr und seine Mitspieler nun deutlich abgeklärter und griffiger. Und als Späth nach exakt 20 Minuten hinten den ersten Ball von der Linie kratzte, ging das deutsche Team durch den nun aufdrehenden Sebastian Heymann erstmals seit der ersten Minute in Führung (13:12).
Ein 2:0 kurz vor der Pause in Unterzahl ließ die Arena beben. "Irgendwann kommen auch die Torhüter", rief Gislason in einer Auszeit seinen Schützlingen zu. "Wenn wir weiterhin so angreifen, dann sieht es wirklich gut aus", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer in der Halbzeitpause und prognostizierte "noch ein, zwei Paraden" mehr von den Torhütern.
Genau so kam es. Hinten ließ die deutsche Abwehr kaum noch etwas zu, vorne schaltete jetzt auch Knorr einen Gang hoch - der Lohn: die erste Drei-Tore-Führung beim 20:17. "Wir machen die komplett kaputt jetzt. Die schaffen das Tempo gar nicht", rief Gislason seinen Schützlingen in einer Auszeit zu. Und Kapitän Johannes Golla schrie: "Komm, weiter in der Abwehr, genauso aggressiv."
Und Deutschland machte weiter. Der zwischen die Pfosten zurückgekehrte Wolff hielt seine ersten Bälle, Köster erhöhte auf 23:19 (40.). Beim 30:24 durch Christoph Steinert (54.) war das Spiel entschieden.
Christoph STUKENBROCK und Moritz LÖHR /
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