Nach dem groß angelegten Angriff des Iran auf Israel haben deutsche Außenpolitiker ein härteres Vorgehen gegen Teheran gefordert. Die EU und Deutschland müssten "endlich eine härtere Gangart gegenüber Iran einlegen", schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), in der Nacht zum Sonntag im Onlinedienst X. "Das Mullahregime destabilisiert und radikalisiert den ganzen Nahen und Mittleren Osten."
Der Iran hatte in der Nacht erstmals von seinem Territorium aus Israel direkt mit über 300 Drohnen und Raketen angegriffen. Die israelische Armee, unterstützt durch die USA und andere Verbündete, konnte nach eigenen Angaben fast alle Geschosse abfangen.
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, erklärte, der Westen müsse "endlich einen neuen, härteren Kurs gegen Teheran fahren". Er forderte, die iranischen Revolutionsgarden in der EU als Terrororganisation einzustufen. "Der Arm des iranischen Terrors reicht auch in unser Land", sagte er der "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Nun müssten "die iranischen Revolutionsgarden endlich als Terrororganisation gelistet werden, damit die EU-Staaten konsequenter gegen ihre Ableger und Hilfsorgane vorgehen können".
Die EU hat Vertreter und Teile der Revolutionsgarden bereits mit Sanktionen belegt und etwa Vermögen eingefroren sowie Einreiseverbote verhängt. Die Einstufung als Terrororganisation erfolgte bisher nicht. Grund sind auch fehlende formale Voraussetzungen: Nötig wäre laut EU-Diplomaten ein Gerichtsurteil gegen die Revolutionsgarden wegen Terror-Vorwürfen in mindestens einem Mitgliedsland.
Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, bei seiner gerade begonnenen China-Reise Peking zu einer klaren Positionierung zu drängen. Es liege auch im Interesse Chinas, "schon aus wirtschaftlichen Gründen, dass es nicht zu einem Flächenbrand im Nahen Osten kommt", sagte sie der "Rheinischen Post" (Montagausgabe). Der chinesische Präsident Xi Jinping müsse daher Teheran klar machen, "dass die Angriffe auf Israel umgehend gestoppt gehören".
Auch der Linken-Verteidigungspolitiker Dietmar Bartsch rief Scholz zum Handeln auf. "Es muss alles getan werden, auch von Olaf Scholz, einen regionalen Flächenbrand zu verhindern", sagte er der "Rheinischen Post".
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), verlangte ein gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft gegen den Iran. Er begrüßte in der "Rheinischen Post" vor diesem Hintergrund die Initiative von US-Präsident Joe Biden, am Sonntag eine Videokonferenz der G7-Staaten einzuberufen.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) rief für Sonntagnachmittag (15.00 Uhr) vor dem Brandenburger Tor in Berlin zu einer Solidaritätskundgebung auf. "Mit seinem kriegerischen und direkten Angriff auf Israel heute Nacht hat der Iran ein neues, gefährliches Kapitel dieses Krieges aufgeschlagen", erklärte der DIG-Vorsitzende Volker Beck. Staatsräson des Iran sei die Vernichtung Israels. "Dieses Regime muss isoliert werden." Jegliche Wirtschaftsbeziehungen müssten gekappt werden. Deutschland habe "hier viel zu lange gezögert, eine konsequente und klare Haltung einzunehmen".
US-Präsident Joe Biden sprach von einem "dreisten" iranischen Angriff, er telefonierte mit Israel Regierungschef Benjamin Netanjahu, nachdem der in der Nacht mit seinem Sicherheitskabinett beraten hatte. Auch Biden hielt eine Dringlichkeitssitzung mit seinem Sicherheitsteam ab. Schon kurz nach Beginn des iranischen Angriffs hatte er Israel erneut die "unerschütterliche" Unterstützung der USA zugesichert, die im Vorfeld bereits zusätzliche Militärkräfte in die Region verlegt hatten.
Die US-Streitkräfte hätten nun dazu beigetragen, "fast alle" vom Iran auf Israel abgefeuerten Drohnen und Raketen abzuschießen, erklärte Biden. Streitkräfte oder Einrichtungen der USA seien nicht angegriffen worden. Israel habe eine "bemerkenswerte" Verteidigungsfähigkeit gezeigt.
Noch am Sonntag wollte Biden ein Treffen der G7-Staaten einberufen, zu denen auch Deutschland zählt. Ziel sei eine "einheitliche diplomatische Antwort" auf die iranischen Angriffe, die er "aufs Schärfste" verurteile, erklärte Biden. Nach einem Bericht der Nachrichtenseite Axios soll Biden dem israelischen Regierungschef Netanjahu gesagt habe, dass er einen israelischen Gegenschlag ablehne.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte die iranischen Angriffe scharf. "Mit dieser unverantwortlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Attacke riskiert Iran einen regionalen Flächenbrand", erklärte Scholz nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Auch er sicherte Israel die Unterstützung Deutschlands zu. Weitere Reaktionen werde die Bundesregierung "nun eng mit unseren G7-Partnern und Verbündeten besprechen".
Nach Angaben aus Regierungskreisen wurde Scholz in der Nacht auf dem Weg zu einem dreitägigen Besuch in China laufend über die Entwicklungen im Nahen Osten unterrichtet. Das Kanzleramt hatte sich nach Angaben aus Regierungskreisen im Vorfeld darum bemüht, China als Vermittler zu gewinnen, um einen iranischen Angriff zu vermeiden. Peking brachte nun seine "tiefe Besorgnis" zum Ausdruck und rief alle Beteiligten zu "Ruhe und Zurückhaltung" auf.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die sich ebenfalls im Vorfeld um Deeskalation bemüht hatte, verurteilte den iranischen Angriff, "der eine ganze Region ins Chaos stürzen kann, aufs Allerschärfste", wie sie im Onlinedienst X schrieb. "Israel gilt in diesen Stunden unsere ganze Solidarität", fügte sie hinzu.
UN-Generalsekretär António Guterres forderte "eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten". Er sei "zutiefst alarmiert über die sehr reale Gefahr einer verheerenden Eskalation in der gesamten Region", erklärte er. Der UN-Sicherheitsrat sollte um 22.00 Uhr am Sonntag zu Beratungen zusammenkommen. Auch Frankreich, Großbritannien und die EU verurteilten den iranischen Angriff auf Israel auf das Schärfste.
Der Iran ist ein erklärter Unterstützer der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, die mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober den Krieg im Gazastreifen ausgelöst hatte. Sowohl der Iran als auch die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas haben die Vernichtung Israels als Ziel ausgegeben.
mt/cp
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