Georgien könnte wegen eines umstrittenen Gesetzes den Status als "sicheres Herkunftsland" nach Einschätzung der SPD wieder verlieren. "Die deutsche Bundesregierung beobachtet genau die Entwicklung der politischen Lage und des demokratischen Systems und überprüft, ob die Voraussetzungen weiterhin vorliegen", sagte der SPD-Abgeordnete Helge Lindh den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Sollte sich herausstellen, dass die Bevölkerung in Georgien Verfolgung befürchten müsse, "würde es entsprechende Konsequenzen haben".
Georgien war zusammen mit Moldau erst Ende vergangenen Jahres als sicherer Herkunftsstaat eingestuft worden. Die Bundesregierung argumentierte damals, dass Menschen in den beiden Ländern in der Regel keine politische Verfolgung drohe. Die Einstufung soll vor allem die Migration eindämmen: Ein Asylantrag eines Bürgers aus einem sicheren Herkunftsstaat kann schneller bearbeitet und einfacher abgelehnt werden.
Die frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich den Beitritt zu EU und Nato an, seit Dezember ist das Land offiziell EU-Beitrittskandidat. Ein umstrittenes Gesetzesvorhaben der Regierung in Tiflis sorgt jedoch seit Wochen für Spannungen. Das sogenannte Agentengesetz sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, behördlich registrieren lassen müssen.
Kritiker sehen Parallelen zum Gesetz gegen "ausländische Agenten" in Russland, das es den dortigen Behörden erlaubt, massiv gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen. Auch die EU hatte Tiflis dazu aufgefordert, das Gesetzesvorhaben fallen zu lassen. Mehrere Maßnahmen deuteten zuletzt darauf hin, dass sich Georgien unter Regierungschef Irakli Garibaschwili wieder mehr Russland zuwenden könnte.
pe/bfi
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Ein sicheres Herkunftsland ist ein rechtlicher Begriff, der in der Asylpolitik verwendet wird, um Länder zu bezeichnen, in denen generell angenommen wird, dass keine politische Verfolgung oder unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung stattfindet. Die Einstufung eines Landes als sicher kann von Land zu Land unterschiedlich sein und basiert auf einer Bewertung der allgemeinen politischen Situation und der Menschenrechtslage in dem jeweiligen Land.
Die Einstufung als sicheres Herkunftsland hat bedeutende Implikationen für Asylverfahren:
Beschleunigte Verfahren: Asylanträge von Personen aus als sicher eingestuften Ländern können in einem beschleunigten Verfahren bearbeitet werden. Dies bedeutet oft, dass weniger Zeit für die Prüfung des Einzelfalls aufgewendet wird.
Widerrufsvermutung: Es wird grundsätzlich vermutet, dass die Antragsteller nicht verfolgt werden, was zu einer höheren Beweislast für die Asylsuchenden führt, um zu beweisen, dass sie trotz der allgemeinen Situation in ihrem Heimatland individuell verfolgt werden.
Reduzierte Erfolgschancen: Asylanträge von Bürgern aus sicheren Herkunftsländern haben oft eine geringere Erfolgsquote, da angenommen wird, dass keine Gefahr für Verfolgung besteht.
Die Liste der sicheren Herkunftsländer wird je nach politischer Lage aktualisiert und kann je nach der Gesetzgebung des aufnehmenden Landes variieren. In der Europäischen Union beispielsweise können Länder gemeinsam entscheiden, welche Staaten sie als sicher einstufen. Diese Einstufungen sind oft Gegenstand politischer Debatten und können kontrovers sein, insbesondere wenn sich die Bedingungen in einem Land schnell ändern oder wenn die Bewertung als "sicher" als unzureichend betrachtet wird.
Wann verlassen Menschen Ihr Land?
Menschen verlassen ihr Heimatland aus vielfältigen Gründen, die sich oft überschneiden und komplexe Migrationssituationen schaffen. Diese Gründe lassen sich im Allgemeinen in mehrere Kategorien einteilen:
Wirtschaftliche Gründe:
Arbeitslosigkeit: Fehlende Arbeitsmöglichkeiten im Heimatland treiben Menschen dazu, anderswo nach Arbeit zu suchen.Armut: Niedrige Lebensstandards und mangelnder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen motivieren Menschen, in Länder mit besseren wirtschaftlichen Perspektiven zu migrieren.Bessere Bildungschancen: Viele verlassen ihr Land, um Zugang zu höherer Bildung oder spezialisierten Ausbildungsprogrammen zu erhalten.
Politische und soziale Gründe:
Verfolgung: Personen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung, Religion, Ethnie oder sozialen Zugehörigkeit verfolgt werden, suchen oft Asyl in anderen Ländern.
Krieg und Konflikte: Bürgerkriege, internationale Konflikte und allgemeine Unsicherheit zwingen Menschen, Schutz in sichereren Regionen oder Ländern zu suchen.
Mangelnde politische oder soziale Freiheiten: In einigen Ländern führen repressive Regierungsmaßnahmen dazu, dass Menschen nach Orten streben, an denen sie mehr Freiheiten genießen können.
Umwelt- und klimabedingte Gründe:
Naturkatastrophen: Erdbeben, Überschwemmungen, Wirbelstürme und andere Naturereignisse können ganze Gemeinschaften veranlassen, ihre Heimat zu verlassen.Klimawandel: Langfristige Umweltveränderungen wie Dürre, steigende Meeresspiegel und Versteppung bedrohen zunehmend die Lebensgrundlagen vieler Menschen, insbesondere in vulnerablen Regionen.
Familiäre und persönliche Gründe:
Familienzusammenführung: Viele Menschen migrieren, um bei Familienmitgliedern zu sein, die bereits in anderen Ländern leben.Heirat oder Partnerschaft: Persönliche Beziehungen über Ländergrenzen hinweg können ebenfalls ein Grund für Migration sein.
Diese Gründe für Migration sind tief verwurzelt in den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Dynamiken innerhalb der Herkunftsländer sowie in den globalen Verhältnissen, die Menschen dazu bringen, nach neuen Möglichkeiten und einem sichereren Leben anderswo zu suchen.