Als Vergeltung für die Bombenexplosion auf der Krim-Brücke (Wikipedia) vom Samstag hatte Russland am Montagmorgen landesweit Städte in der Ukraine bombardiert. Am Dienstagmorgen setzte Russland seine Angriffe gegen das Nachbarland fort und griff vor allem Energieanlagen im weit von der Front entfernten Westen an.
Zu den Zielen gehörte auch die Stadt Lwiw, die bereits am Montag getroffen wurde. Der Bürgermeister gab an, dass etwa ein Drittel der Stadt keinen Zugang zur Stromversorgung habe. Landesweit waren am Dienstag in der Ukraine rund 300 Ortschaften ohne Strom.
Die nahe der Front gelegene Stadt Saporischschja im Süden der Ukraine wurde nach Angaben der ukrainischen Behörden am Dienstag von zwölf Raketen getroffen. Demnach traf der Beschuss zivile Infrastruktur, ein Mensch wurde getötet. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, alle am Dienstag in der Ukraine anvisierten Ziele seien auch getroffen worden.
In Kiew ertönten am Morgen fünf Stunden ununterbrochen die Alarmsirenen. Anders als am Montag trafen die Hauptstadt am Dienstag aber zunächst keine Raketen. DTEK, der Stromversorger der Hauptstadt, kündigte infolge des Beschusses "ab Dienstag" regelmäßige Unterbrechungen der Stromversorgung an. Sie sollen abwechselnd verschiedene Stadtteile betreffen.
Die Bombardierungen waren weniger schwer als die Angriffe von Montag, die landesweit gegen die Energie-, Militär- und Kommunikationsinfrastruktur zielten, aber auch rein zivile Ziele wie eine Universität, einen Spielplatz und Parks trafen. Dabei waren nach den jüngsten Angaben mindestens 19 Menschen getötet und hundert weitere verletzt worden.
UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi warnte vor einem Anstieg der Flüchtlingszahlen. "Die Bombardierung von Zivilisten" und "nicht-militärischer Infrastruktur" bedeute, "dass der Krieg härter und schwieriger für Zivilisten wird", sagte Grandi am Montagabend in Genf. "Ich fürchte, dass die Ereignisse der vergangenen Stunden mehr Flucht nach sich ziehen."
Nachdem schon am Montag viele Staats- und Regierungschefs sowie die UN die russische Angriffsserie aufs Schärfste verurteilt hatten, bezeichneten am Dienstag auch die Präsidenten von elf osteuropäischen Staaten wie Bulgarien, Tschechien und Ungarn die Bombardements ukrainischer Städte als "Kriegsverbrechen". In einer Erklärung, die vom polnischen Präsidialamt veröffentlicht wurde, wiesen sie auch die Drohung Russlands mit einem Einsatz von Atomwaffen als "inakzeptabel" zurück.
Für den Dienstagnachmittag war eine Videokonferenz der Vertreter der sieben großen Industriestaaten unter anderem zu den Folgen der jüngsten Eskalation in der Ukraine geplant, zu der sich nach Angaben der Bundesregierung Präsident Selenskyj zuschalten sollte.
Der Kreml erklärte, er erwarte von dem Treffen eine weitere "Konfrontation" mit dem Westen. "Die Stimmung vor dem Gipfel ist klar, es ist leicht vorhersehbar", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. "Die Konfrontation wird weitergehen." Russland werde seine gesetzten Ziele in der Ukraine erreichen, fügte er hinzu.
Seinerseits erwartete Putin am Dienstag den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. Bei dem Treffen in St. Petersburg sollte es vor allem um die Sicherheit des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja gehen, das unter russischer Kontrolle steht. An der Anlage war es bereits wiederholt zu Beschuss gekommen, für den sich Russland und die Ukraine gegenseitig verantwortlich machen.
oer/ju
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