Lindner sagte, die Leistungen für die "570.000 Menschen, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind und in der Grundsicherung erfasst sind, werden ja bereits vom Bund finanziert". Die Zahl der Ankünfte aus anderen Ländern sei auf dem Niveau des Jahres 2014. "Damals hat der Bund diese Länderaufgabe noch gar nicht mitfinanziert. Heute trägt er einen beträchtlichen Teil", sagte der Finanzminister.
Die Kommunen warnen seit längerem davor, dass vielerorts die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht seien. Bei einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Kommunen vor zweieinhalb Wochen hatte der Bund zugesagt, zusätzlich 56 Immobilien zur Unterbringung von 4000 Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen sahen nach dem Spitzentreffen aber weiter großen Gesprächsbedarf und forderten die vollständige Übernahme der entstehenden Kosten.
Am kommenden Mittwoch beraten die Regierungschefinnen und -chefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im Vorfeld des Treffens bekräftigte der Deutsche Städte- und Gemeindebund seine Forderung nach mehr Entlastung für die Kommunen.
Die Lage sei "teilweise sehr angespannt", nicht nur wegen der hohen Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine, sondern auch im Hinblick auf Flüchtlinge aus anderen Ländern, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem "Handelsblatt". Vielerorts müssten bereits Hotelzimmer angemietet und Turnhallen oder andere Einrichtungen vorbereitet werden.
Landsberg fürchtet, dass die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge angesichts der zerstörten Infrastruktur durch den russischen Angriffskrieg im Winter weiter steigen könnte. "Wir brauchen dringend einen Kraftakt von Bund, Ländern und Gemeinden, um der Situation Rechnung zu tragen", mahnte er. Dies bedeute zugleich "eine verbindliche Zusage von Bund und Ländern, dass die entstehenden Kosten für 2023, aber auch die zusätzlich entstandenen Kosten für 2022 den Kommunen erstattet werden".
FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae (Wikipedia) forderte einen europäischen Flüchtlingsgipfel aller 27 Mitgliedstaaten. "Ziel muss es sein, endlich ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit rechtlich verbindlichem Verteilmechanismus zu erreichen", sagte er dem "Handelsblatt". "Denn es wird deutlich, dass ein solidarischer Verteilmechanismus, der auf Freiwilligkeit beruht, auf Dauer keine Lösung sein kann."
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