Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons durch die US-Armee ist es am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem Gespräch zwischen den Top-Diplomaten beider Länder gekommen. US-Außenminister Antony Blinken warnte Chinas ranghöchsten Außenpolitiker Wang Yi (Wikipedia), "dass diese unverantwortliche Tat nie wieder geschehen dürfe", wie das US-Außenministerium mitteilte. Wang warf den USA laut der Nachrichtenagentur Xinhua (Webpräsenz in deutsch) vor, durch "exzessive Gewaltanwendung" die US-chinesischen Beziehungen beschädigt zu haben.
Vor dem Hintergrund zunehmender bilateraler Spannungen war über ein Treffen der beiden Diplomaten in München spekuliert worden. Wegen des mutmaßlichen chinesischen Spionageballons (Wikipedia) über den USA hatte Blinken Anfang Februar einen geplanten Besuch in Peking kurzfristig abgesagt. In dem etwa einstündigen Treffen an einem unbekannten Ort in München sei Blinken "sehr direkt und offen" gewesen, sagte ein ranghoher Vertreter des US-Außenministeriums, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine habe Blinken zudem vor "Konsequenzen" gewarnt, sollte Peking Russland "materielle Unterstützung" zukommen lassen oder bei der Umgehung westlicher Sanktionen helfen, fasste der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, das Treffen zusammen. Gleichzeitig habe Blinken betont, dass die USA "keinen Konflikt" mit China wollten und auch keinen "neuen Kalten Krieg". Blinken habe die Bedeutung eines diplomatischen Dialogs und offener Kommunikationswege "zu jeder Zeit" unterstrichen.
Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtete nach dem Treffen, Wang habe "Chinas harte Haltung in dem sogenannten Luftschiff-Vorfall klar gemacht". Zudem habe er die USA aufgefordert, "den Kurs zu ändern, den Schaden anzuerkennen und zu reparieren, den ihre exzessive Gewaltanwendung den US-chinesischen Beziehungen zugefügt hat". Laut Xinhua fand das Gespräch in München auf Wunsch der US-Seite statt.
Zuvor hatte Wang den USA in einer Rede vor den in München versammelten internationalen Politikern und Experten eine "hysterische und absurde" Reaktion in der Affäre um den Ballon vorgeworfen. Er beschuldigte die US-Regierung, eine "fehlgeleitete" Sicht von China zu haben und Pekings Ansehen "beschmutzen" zu wollen.
China fordere die USA auf, nicht derart "absurde Dinge" zu tun, nur um "die Aufmerksamkeit von innenpolitischen Problemen abzulenken", sagte Wang. "Es gibt viele Ballons aus vielen Ländern am Himmel. Wollt ihr jeden einzelnen davon abschießen?", fragte der chinesische Top-Außenpolitiker ironisch.
Der tagelange Überflug des mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über mehrere hoch geheime US-Atomwaffenlager hatte zu einem Eklat zwischen Washington und Peking geführt. Blinken sagte eine geplante Reise nach Peking kurzfristig ab. Es hätte der erste China-Besuch eines US-Außenministers seit mehr als vier Jahren werden sollen.
Ein US-Kampfjet schoss den weißen Ballon schließlich am 4. Februar über dem Meer ab. Das US-Militär barg im Anschluss Trümmerteile, die nun untersucht werden. Peking bezeichnet den Ballon als Wetterballon und weist Spionagevorwürfe zurück.
US-Präsident Joe Biden hatte am Donnerstag seine Bereitschaft signalisiert, die Spannungen mit Peking beruhigen und auch mit Chinas Präsident Xi Jinping sprechen zu wollen.
Die Spannungen zwischen China und den USA haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dabei geht es unter anderem um den Konflikt um Taiwan, die Situation in Hongkong (Wikipedia), Menschenrechte und Handelsfragen. In den vergangenen Monaten hatte es aber auch Zeichen der Entspannung gegeben. So trafen sich Biden und Xi im vergangenen November am Rande des G20-Gipfels in Indonesien.
ck/mhe Hui Min NEO und Leon BRUNEAU / © Agence France-Presse