Redaktionell begleite ich die Initiative nun bereits seit einigen Monaten und habe immer mal wieder das ein oder andere Interview, welches nun im Rahmen der Ausstellung zu sehen war, veröffentlichen. Seit dem ersten Treffen mit Andrea Wommelsdorf beeindruckt mich das Engagement, die Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit mit der die Gruppe ihr Herzensthema “Der Mensch dahinter” verfolgt und vorantreibt. Umsomehr, als dass ich mich in Sachen Engagement eher in Zurückhaltung übe. Ich bin weder im Verein, noch politisch oder ehrenamtlich aktiv. Auch äußere ich mich selten, um nicht zu sagen nie, in den sozialen Netzwerken zu Vorkommnissen, die um einen herum so passieren. Zum einen, weil ich von vielen Dingen einfach nicht genug Ahnung habe, um sie fachlich fundiert bewerten zu können - zum anderen, weil meist schon alles in den vorherigen Beiträgen gesagt wurde. Wen interessiert da schon noch meine Meinung?
Die Eröffnung der Ausstellung “DER MENSCH DAHINTER”, die tragischerweise fast mit der Tötung der Polizisten in Kusel zusammenfiel hat mich zum Nachdenken gebracht.
Ich frage mich, ob sich der Ton in der Gesellschaft und die Hemmschwelle zur Gewalt tatsächlich derart verändert hat und woran dies liegen mag. Gott sei Dank lebe ich in einer Blase der Gewaltlosigkeit und des respektvollen Umgangs miteinander. Natürlich habe auch ich schon unter und mit Menschen gearbeitet, die sich im Ton vergreifen, habe auch ich schon mobbende Kolleg*innen erlebt, bin auch ich schon aus dem Nichts angeschnauzt worden. Aber so etwas gehört nicht zu meinem Alltag und wenn möglich, schließe ich diese Menschen aus meinem Leben aus. Wenn ich mir jedoch die Interviews der Ausstellung durchlese, komme ich nicht umhin, mich zu fragen wie es wohl ist, dergleichen täglich erleben zu müssen. Wenn ich lese, dass ein Tankstellenmitarbeiter erschossen wird, weil er höflich um das Tragen einer Maske gebeten hat. Wenn ich höre, das Dunja Hayali von fremden Menschen bespuckt wurde. Wenn ich erfahre, das einem Juden seine Kipa vom Kopf geschlagen wird. Dann muss wohl etwas dran sein, an dem Schlagwort “Verrohung der Gesellschaft.” Wo ist er hin, der Respekt vor den anderen, wo sind die Werte geblieben, mit denen ich und sicher auch viele von Ihnen groß geworden und an die wir unser Handeln ausrichten konnten? Warum und wann haben die Menschen verlernt einander zuzuhören und sich gegenseitig zu helfen? Warum brauchen die Menschen offenbar einen Schuldigen, wie Migranten, Juden, Muslime oder auch eben Menschen in Uniform, um ihr eigenes Leben zu rechtfertigen? Gibt es vermehrt narzisstische Menschen, die sich um jeden Preis selbst verwirklichen und die eigene Meinung durchsetzen wollen? Oder beginnt die Verrohung bereits früher? Kann das Bildungssystem helfen? Liegt es an einer allgemeinen Verdummung der Gesellschaft?
Ich bin keine Philosophin und auch keine Soziologin und finde daher keine Antworten. Und Gott sei Dank, gibt es da ja noch die vielen, vielen Menschen, denen Respekt und Toleranz am Herzen liegen und die sich für andere einsetzen. Im Laufe meiner redaktionellen Arbeit bei stadt 4.0 durfte ich schon einige kennenlernen. Mitarbeiter*innen der Alexianer Werke, ehrenamtlichen Helfer*innen bei der Tafel oder der Bahnhofsmission Münster, Mitarbeitende der Westfalenfleiß und eben auch die vier Freunden der Initiative für Respekt und Toleranz.
Aus mir wird ganz sicher kein engagierter Mensch, der Freizeit und Energie für die gute Sache investiert, aber vielleicht komme ich ja nun ab und an aus meiner Komfortzone und zeige Haltung! Wenn ich etwas lese, was mir nicht gefällt, wenn ich etwas sehe, was sich nicht gut anfühlt…