Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (Persönliche Webseite) sieht in der Beteiligung seiner Partei an der Ampel-Koalition einen Grund für das schlechte Abschneiden bei der Wahl in Berlin - hält einen grundsätzlichen Kurswechsel aber nicht für nötig. Die FDP habe bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin "ganz offensichtlich nicht von der Wechselstimmung profitieren können", sagte Lindner am Montag nach einer Präsidiumssitzung. Von dieser Wechselstimmung habe nur die CDU profitiert.
Die Oppositionsrolle der Berliner FDP gegen die rot-grün-rote Regierung sei dadurch "erschwert" worden, dass die FDP auf Bundesebene "in Regierungsverantwortung genau mit SPD und Grünen" stehe, sagte Lindner. Für die FDP im Bund gelte aber: "Wir verfolgen in unser Regierungsbeteiligung eine klare Strategie, die sich hier in Berlin noch nicht ausgezahlt hat, an der wir aber festhalten." Die Führung der FDP sei "überzeugt, dass sie sich auf mittlere Sicht auch bei Landtagswahlen als Erfolg herausstellt".
Aus der Wahlniederlage in Berlin - der fünften in Folge bei einer Landtagswahl - ziehe die FDP in der Ampel-Koalition auch inhaltlich Konsequenzen. Lindner nannte dabei die Bereiche Verkehrspolitik, Migrationspolitik und Wirtschaftspolitik.
In der Koalition werde sich die FDP verstärkt für "Wahlfreiheit" bei den Verkehrsmitteln einsetzen. "Eine Politik gegen das Auto ist ganz offensichtlich nicht im Interesse der Menschen", sagte Lindner. In der Migrationspolitik werde sich die FDP dafür einsetzen, den irregulären Zuzug von Migranten nach Deutschland zu senken. In der Wirtschaftspolitik wolle die FDP für "mehr wirtschaftliche Freiheit, mehr Unternehmergeist, geringere Belastung" sorgen.
"Meine Überzeugung ist: Die Ampel hat nur eine Chance auf Wiederwahl, wenn wir unser Land wieder auf den wirtschaftlichen Erfolgspfad zurückführen", sagte der Parteichef. "Wir müssen verhindern, dass das Land nach links geführt wird, sondern einen klaren Kurs der Mitte verfolgen."
Als eines der Kernanliegen seiner Partei nannte Lindner die Beschleunigung von Planungsverfahren - ein Thema, bei dem es koalitionsintern derzeit Streit zwischen FDP und Grünen gibt. Lindner vermied bei der Pressekonferenz am Montag aber jegliche Kritik an den Koalitionspartnern.
Auf die Frage, welche Erwartungen er nun an die Grünen habe, entgegnete er: "Ich habe keine Erwartungen an andere." Er fügte mit Blick auf die FDP hinzu: "Eines wird die Partei der Selbstverantwortung jedenfalls nicht machen: mit dem Finger auf andere zeigen."
Die Parteichefinnen von SPD und Grünen, Saskia Esken (Persönliche Webseite) und Ricarda Lang (Wikipedia), äußerten sich am Montag demonstrativ beschwichtigend. "Ich hätte mir gewünscht, dass die FDP den Einzug ins Abgeordnetenhaus schafft", sagte Esken. Lang sagte, das Ergebnis der FDP tue ihr "wirklich leid".
Eine Belastung für die "Ampel" sieht Esken nach eigenen Angaben nicht. "Wir arbeiten in der Koalition einvernehmlich zusammen", sagte sie. Forderungen aus der FDP nach längeren Akw-Laufzeiten erteilte sie aber eine klare Absage.
Grünen-Chefin Lang rief zur Zusammenarbeit in der Koalition auf. In Bundesregierung gehe es um Herausforderungen und inhaltlich schlüssige Konzepte zu deren Lösung, sagte sie. "Das muss die Messlatte von uns allen bleiben in dieser Bundesregierung."
Die FDP hatte bei der Berlin-Wahl am Sonntag mit 4,6 Prozent den Wiedereinzug in das Landesparlament verpasst. Lindner betonte am Montag, dass er die Schuld an der Schlappe nicht bei Spitzenkandidat Sebastian Czaja sehe. "Es war eine Frage der Konstellation, nicht des Spitzenkandidaten."
pw/bk AFP